Rotkleegras - Kopfbild

Kleinkörnige Leguminosen in der Wiederkäuerfütterung
von Jule Schättler

Heimische Eiweißpflanzen wie die kleinkörnigen Leguminosen Klee und Luzerne stehen zunehmend im Fokus einer nachhaltigen und bedarfsgerechten Fütterung von Wiederkäuern. Die im Jahr 2012 ins Leben gerufene Eiweißpflanzenstrategie verfolgt das Ziel, den Anbau und die Verwertung von heimischen Eiweißpflanzen in Deutschland dauerhaft zu fördern bzw. zu optimieren sowie gleichzeitig den Anteil von Sojaimporten für die Tierernährung zu reduzieren.

Im Ackerbau zeichnen sich Kleinkörnige Leguminosen u.a. durch ihre hohe Stickstofffixierungsleistung, Humusmehrung und Bodenauflockerung aus. Durch ihre große Trockenheitstoleranz können sie auch in niederschlagsarmen Regionen ein gutes Ertragspotenzial ausschöpfen und werden deshalb zukünftig noch an Bedeutung gewinnen. In der Fütterung liefern Klee und Luzerne als Grobfutter für Wiederkäuer neben Energie und Struktur vor allem Protein. Die hohe Akzeptanz dieser Futtermittel kann sich in einer erhöhten Futteraufnahme und einer verbesserten Tier- bzw. Pansengesundheit widerspiegeln. Eine optimale Grobfutterqualität ist daher von besonderer Bedeutung und kann die Notwendigkeit von zugekauftem Kraftfutter in Form von Soja- und Rapsextraktionsschrot reduzieren. Um kleinkörnige Leguminosen erfolgreich in der Wiederkäuerfütterung einzusetzen, sind Kenntnisse um deren Eigenschaften und Besonderheiten Voraussetzung.

Hohe Rohprotein- und Strukturgehalte

In der Tabelle sind die Rohnährstoffe sowie Mineralstoffgehalte von Gras-, Kleegras-, Luzerne(gras)silage und Luzerneheu für das Erntejahr 2019 in Bayern angegeben (Quelle: Jahresbericht 2019, Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, LfL). Klee und Luzerne zeichnen sich vor allem durch ihren hohen Gehalt an Rohprotein (XP) aus. So enthielt eine Luzernesilage vom letzten Jahr, 1. Schnitt, durchschnittlich 171 g XP/kg TM. Im Vergleich dazu lag der Wert für eine Grassilage, 1. Schnitt, bei 154 g XP/kg TM. Die Eiweißdeckung durch wirtschaftseigene Grobfuttermittel spielt in der Wiederkäuerfütterung eine entscheidende Rolle. Grobfutter wie Kleegras- und Luzerne(gras)silagen sind mit ihren hohen Rohproteingehalten nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant. Sie erlauben auch ggf. Einsparungen bei zugekauften Eiweißfuttermitteln wie Sojaextraktionsschrot aus Übersee, das aus gesellschaftlicher und ökologischer Sicht zunehmend weniger akzeptiert wird.

Tabelle 1: Inhaltsstoffe von Gras-, Kleegras-, Luzerne(gras)silagen (Quelle: ITE-Jahresbericht 2019, Auswertung LKV-Futtermittellabor Grub 2019) pdf 42 KB

Der Strukturgehalt von Klee- und Luzerneprodukten, welcher durch den aNDFom-Wert ausgedrückt wird, reichte im Jahr 2019 von 385 g/kg TM bei einer Luzernegrassilage (1. Schnitt) bis hin zu 560 g/kg TM bei Luzerneheu (1. Schnitt). Der Orientierungswert für Silagen liegt bei < 450 g/kg TM und für Heu bei < 550 g/kg TM im ersten Schnitt bzw. < 500 g/kg TM für die Folgeschnitte. Der Strukturgehalt der Ration hat vor allem Einfluss auf das Wiederkäuen und damit auch direkt auf den Speichelfluss der Kuh. Für die Aufrechterhaltung eines stabilen pH-Wertes im Pansen von idealerweise mind. 6,15 (Spiekers et al., 2009) ist eine gute Kauaktivität notwendig, denn dadurch wird Speichel für die Pufferung produziert. Weiterhin ist genügend Struktur in der Ration zur Erhaltung einer gut ausgebildeten Fasermatte im Pansen wichtig, die das Wachstum und die Effizienz der Pansenmikroben fördert.
Hohe aNDFom-Gehalte führen zu einer geringeren Verdaulichkeit des Futters und damit zu niedrigeren Energiegehalten. Diesbezüglich liegt eine Luzernesilage (1. Schnitt 2019) mit 5,5 MJ NEL/kg TM deutlich hinter den durchschnittlichen 6,3 MJ NEL/kg TM eines ersten Schnitts einer Grassilage 2019. Optimal geführte Kleegrasbestände konnten im Jahr 2019 in Bayern mit ihren Energiegehalten hingegen an die Leistung von Grasbeständen heranreichen. Eine erhöhte Strukturgabe kann bei etwas geringerer Energiedichte im Futter jedoch gezielt die Pansenflora und damit die Tiergesundheit fördern.
Doch neben dem Rohprotein- und Energiegehalt nehmen weitere Parameter Einfluss auf die Futterqualität. Der Rohaschegehalt gibt beispielsweise Auskunft darüber, wie verschmutzt das Futter ist. Ein Wert von unter 100 g/kg TM sollte angestrebt werden. Andernfalls kann ein höherer Schmutzanteil die Verdaulichkeit des Futters senken und die Futteraufnahme verringern. Luzerne(gras)silagen können jedoch aufgrund der höheren Mineralstoffgehalte in der Pflanze natürlicherweise etwas mehr Rohasche aufweisen. Der ADFom-Wert gibt Aufschluss über den Grad der Verholzung des Pflanzenmaterials und damit auch über die Verdaulichkeit. Je nachdem, ob es sich um den 1. bzw. den Folgeschnitt handelt, sollte der Wert bei Gras-, Kleegras- und Luzerne(gras)silagen 260 bzw. 270 g/kg TM und 320 bzw. 270 g/kg TM bei Luzerneheu unterschreiten. Grundsätzlich wird der Alterungsprozess der Pflanzen durch kühles und feuchtes Wetter verlangsamt, wie es im Frühjahr 2019 in Bayern vielerorts der Fall war. Der diesjährige relativ warme, sonnige und vor allem trockene Start der Wachstumsperiode führte hingegen zunächst zu einem schnelleren Alterungsprozess der Pflanzen, welcher erst durch das Einsetzen vermehrter Niederschläge und kälterer Temperaturen im Mai gebremst wurde.
In der Trockensteherfütterung sollte darauf geachtet werden, den Anteil von Kleegras- und Luzerne(gras)silagen ggf. zu begrenzen, um das Risiko einer Gebärparese (Milchfieber) aufgrund der höheren Calciumgehalte zu vermindern. Grundsätzlich sind die Versorgungsempfehlungen für Mengen- und Spurenelemente einzuhalten, da eine Über- bzw. Unterversorgung mit einem Element bei einem anderen Element zum Mangel oder Überschuss führen kann.

Luzernesilage als NahaufnahmeZoombild vorhanden

Luzernesilage (Quelle: Jule Schättler, LfL)

Silage oder Heu?
Wurden Klee und Luzerne bzw. deren Gemenge früher noch überwiegend frisch im Stall verfüttert, werden die kleinkörnigen Leguminosen heutzutage, je nach Betriebsausrichtung und –ausstattung, vorrangig zu Silage oder Heu verarbeitet. Die Herstellung von Kleegras- und Luzerne(gras)silagen erfordert aufgrund der hohen Rohproteingehalte sowie geringen Zuckeranteile im Siliergut und der damit einhergehenden schlechteren Silierbarkeit ein optimales Management während der gesamten Silierkette. In Wochenblatt Nr. 18 ab Seite 25 wurde über Tipps zur Bereitung einer qualitativ hochwertigen Silage aus kleinkörnigen Leguminosen berichtet. In Gemengen mit Gras verbessert sich die Silierbarkeit jedoch im Allgemeinen und auch der Einsatz von geeigneten Siliermitteln hat sich bewährt. Abhängig von betrieblichen Voraussetzungen bietet sich das Einbringen im (Fahr-)Silo an oder bei kleineren Einheiten die Herstellung von Ballensilage. Besonders bei Problemen mit zu geringem Vorschub bzw. bei sehr trockenem Siliergut (z.B. Heulage) kann mit Ballen Abhilfe geschaffen werden.
Das Heu der kleinkörnigen Leguminosen, insbesondere das von Luzerne, zeichnet sich durch seine hohe Schmackhaftigkeit aus und wird daher vom Wiederkäuer gerne gefressen. In der Praxis und der Forschung wird dementsprechend über positive Effekte auf die Futteraufnahme der Tiere berichtet. Neben der hohen Strukturwirksamkeit enthält das Luzerneheu auch einen erhöhten Gehalt an pansenbeständigem Protein (UDP). UDP bezeichnet den Anteil des unabgebauten Futterproteins und ergibt zusammen mit dem von den Mikroben im Pansen gebildeten Protein das nutzbare Rohprotein (nXP). Die Heubereitung erfordert jedoch längere Schönwetterperioden bzw. die Möglichkeit das Schnittgut zu belüften oder zu trocknen und entsprechend zu lagern. Entscheidend ist in jedem Fall, die Bröckelverluste minimal zu halten, um die wertvollen Inhaltsstoffe in den Blättern zu erhalten.
Egal ob in Form von Silage oder Heu, es sollten nur qualitativ hochwertige und hygienisch einwandfreie Futtermittel verfüttert werden, um eine hohe Leistung und gute Tiergesundheit zu fördern. Welche Konservierungsform für den jeweiligen Betrieb wirtschaftlich Sinn macht, sollte vorher sorgfältig geprüft werden.
Luzerne statt Gras und Mais

Inwieweit Grassilage in einer Teilmischration von Milchkühen gegen Luzernesilage ausgetauscht werden kann, untersuchte die LfL bereits in einer Versuchsanstellung im Jahr 2011. 32 Fleckviehkühe wurden in zwei Versuchsgruppen aufgeteilt, wobei die eine Gruppe in ihrer Ration Grassilage und die andere Gruppe Luzernesilage, je zu gleichen Anteilen, vorgelegt bekam. Da der Rohproteingehalt der Luzernesilage im Vergleich zur Grassilage höher war, wurde der Anteil an Rapsextraktionsschrot in der Luzerneration entsprechend reduziert und der Gehalt an Maiskornsilage erhöht. Der Rohproteingehalt der Luzerneration lag trotz der Reduktion des Rapsextraktionsschrots noch um 1 % höher als bei der Grassilagevariante, die Gehalte an nXP waren jedoch vergleichbar. Bezüglich der Energiegehalte ergab sich bei den Rationen eine Differenz von 0,4 MJ NEL/kg TM.
Für die Gruppe mit der Luzernesilage konnte während der Versuchsphase eine signifikant höhere Futteraufnahme beobachtet werden. In der Summe führte dies, trotz des niedrigeren Energiegehalts in der Ration, zu einer höheren täglichen Energieaufnahme dieser Gruppe. Aus diesem Grund lag das Niveau der Milchleistung auf dem der Vergleichs-Gruppe mit der Grassilage betonten Ration. Die Tiere kompensierten die niedrigeren Energiegehalte in der Ration offensichtlich mit einer erhöhten Futteraufnahme und erbrachten dadurch gleiche Leistungen.
Doch auch für die Bullenmast können kleinkörnige Leguminosen durchaus interessant sein. In den heutigen Mastverfahren hat sich flächendeckend der Einsatz von Maissilage und Kraftfutter etabliert.
Als Alternative bzw. Ergänzung zum Maisanbau, der sich in der Vergangenheit zwecks Fütterung und Biogasherstellung stark ausgeweitet hat und in Folge auch die Anfälligkeit gegenüber dem Westlichen Maiswurzelbohrer gestiegen ist, können Klee und Luzerne zum Einsatz kommen.
Aus diesem Grund wurde in einem Fütterungsversuch der LfL (Ettle und Obermaier, 2012) ein Teil der Maissilage in der Ration von Mastbullen durch Luzernesilage (30 und 60 % der TM) ersetzt und untersucht, inwieweit Auswirkungen auf biologische Leistungen und Schlachtmerkmale auftraten.
Auch hier konnten die geringeren Energiegehalte in den luzernereichen Rationen durch eine erhöhte Futteraufnahme kompensiert werden. Die täglichen Zunahmen lagen mit ca. 1600 g/Tag und Tier bei allen Gruppen auf einem ähnlichen Niveau. Das Zweihälftengewicht und die prozentuale Ausschlachtung am Ende der Mast unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen. Bei den Handelsklassen wurden die Tiere der Maissilagegruppe etwas ungünstiger eingestuft als die Gruppen mit Luzernefütterung. Im Anschluss an die Schlachtung wurden Teilstücke auf die Fleischqualität hin untersucht. Zwischen den Gruppen waren für alle untersuchten Parameter keine Unterschiede feststellbar. Ein interessanter Effekt war jedoch, dass die Fettsäurenzusammensetzung im Rückenmuskel hinsichtlich des gewünschten Verhältnisses von Omega-6 zu Omega-3-Fettsäuren in den Gruppen mit Luzerne als günstiger einzustufen war.
Luzerne kann somit auch in der Rindermast erfolgreich eingesetzt werden. Je nach Standort und Betriebsausrichtung bietet sie eine attraktive Ergänzung zum Mais. Die etwaigen Mehrkosten für Kraftfutter können durch Einsparungen bei den Rohproteinkomponenten (z.B. Soja- oder Rapsextraktionsschrot) ausgeglichen werden. Darüber hinaus machen sich die hohen Strukturgehalte in stärkereichen Rationen positiv bemerkbar.

Nicht nur aus pflanzenbaulicher und ökologischer Sicht ist der Anbau und die Fütterung von kleinkörnigen Leguminosen empfehlenswert. Klee und Luzerne punkten insbesondere durch ihre positiven ernährungsphysiologischen Eigenschaften. Sie bringen ausreichend Rohprotein und Struktur in die Ration und fördern gleichzeitig die Futteraufnahme.

Artikel erschienen im Bayerischen Landwirtschaftlichen Wochenblatt, Heft 25, 19. Juni 2020

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